Sonntag, 19. Juni 2011

29.05.2011 - Vik/Orre - Sogndalstrand - 86 km

Meine Gastgeberin serviert mir ein formidables Frühstück.

Beim Bezahlen erfahre ich von ihr noch eine nette Story. Einige Tage zuvor hätte ein Portugiese auf dem Rad bei ihr angeklopft und gefragt, ob er in der Garage im Schlafsack übernachte könne. Warum er denn nicht in einem der beiden zu mietende Zimmer übernachten wolle, erklärte er, daß er vom südwestlichsten Punkt Portugals zum nördlichsten Punkt Norwegens, dem Nordkap, und zurück per Fahrrad unterwegs sei und er nur sehr wenig Geld zur Verfügung habe und daher immer in seinem Zelt oder bei schlechtem Wetter wenn möglich unter einem festen Dach, ohne dass dafür etwas zu zahlen wäre, übernachte. Dieses hatte man ihm ermöglicht. Am späten Abend hätte er dann sein warmes Essen auf einem Esbit-Kocher zubereitet - Spagetti, die er bereits in Unmengen in Dänemark eingekauft hätte, da Norwegen ja so teuer wäre. So wollte er auch keine Fähre benutzen, sondern über die Fjells, wo Ende Mai noch Schnee liegt.
Da soll zu mir noch mal einer erzählen, ich sei ein wenig "plemplem" mit meiner Nordseetour.

Die Fahrradsaison würde jetzt beginnen, es sind wohl doch so einige Richtung Nordkap oder auf dem Nordseeradwanderweg unterwegs. Ich hatte an den bisherigen zwei Radtagen noch keinen Tourenradler gesehen. Gestern waren wir allerdings sehr viele Radler im Regen begegnet - dieses aber, wie ich dann heute Abend erfahren sollte, wohl im Zusammenhang mit einem Radrennen für Jedermann im Raum Stavanger. Generell ist der Radsport in Norwegen wohl groß im Kommen, offenbar auch infolge der Erfolge verschiedener Radprofis aus Norwegen.

Die Sonne scheint, aber der Wind kommt immer noch aus der falschen Richtung und es ist bei 10/12 Grad eindeutig zu kühl. Also ist wieder die "Zwiebeltechnik" angesagt, Windbreakerunterhemd, Fahrraddress, Windweste, Windbreaker, dazu Thermoarm- und -beinlinge sowie Neopren-Schuhüberzieher und für den wahrscheinlichen Fall einsetzenden Regens Regenjacke und Regenhose jederzeit griffbereit. So geht es um 9.00 Uhr los. Die ersten 35 km geht es weitgehend flach mehr oder minder nah an der Küste entlang, immer wieder mal über unbefestigte Wegstrecken, durch Kuhfladen und auch mal über eine Kuhweide mit ganz vielen neugierigen Rindviechern (zum Glück habe ich meinen gelben und nicht den roten Windbreaker mitgenommen) und über eine recht wackelige Brücke.

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Zwischendurch muß ich nach dem gestrigen Regentag mal meine Kette schmieren, da diese ziemlich quietscht.
Auch mitten über einen Campingplatz, an einem Dünenstrand gelegen, geht die Strecke.
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Einziger nennenswerter Ort ist zunächst Vigrestad, es folgen die kleinen Orte Brusand und Ogna und dann verliere ich den Glauben an die für die norwegischen Radwege zuständigen Verantwortlichen. Es geht weg von der Küste auf einem unbefestigten offiziellen Radweg in ein durch die Gletscher am Ende der letzten Eiszeit geformtes Gebiet. Loser Kiesel und 25 bis 30 % steile Gefäll- und Steigungsstrecken. Schieben, schieben, immer wieder schieben bzw. mit angezogener Bremse ganz langsam bergab - 6 km Radfahrers Elend. Mountainbiker kommen mir entgegen, die offenbar auch so ihre Probleme mit dem Terrain haben.
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Nach einer kurzen Erholungsstrecke auf Asphalt geht es dann wieder auf einen rd. 8 km langen Weg immer entlang einer Bahnstrecke. Die Hoffnung, es sei dementsprechend flach, pulverisiert sich nach wenigen 100 m. Der Weg ist zwar fest, aber stellenweise noch steiler. Da meine Klick-Pedalplatten unter den Schuhen durch die mühsamen "Wanderungen" bergan (schiebt mal rd. 30 kg mehrere km bergan) total voll Sand und Steinchen sind, fällt es zunehmend schwer aus den Klickpedalen zu kommen. Und so kommt es, wie es kommen muss, nach einer scharfen Rechtskurve baut sich ein supersteiler Anstieg vor mir auf und ich komme nicht aus den Pedalen. So fällt man unsanft auf die Seite und freut sich, dass außer ein paar Abschürfungen nichts passiert ist und vor allem es keiner gesehen hat. Die Bremsen lösen sich allmählich auf, als ich nach rd. 55 km in die gut erhaltene Holzstadt Egernsund mit seinen 13.000 Einwohnern einrolle.
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Aber die Hoffnung auf Kaffee und Kuchen wird nicht erfüllt, alles zu, es ist Sonntag. Dafür darf ich zur Abwechslung mal wieder aber nur für kurze Zeit die Regenkleidung überziehen. Also weiter, ich komme ins Fjordland, vom Fjord hoch, zum Fjord runter, imposante von den abschmelzenden Gletschern geformte Landschaft.

Ortschaften Fehlanzeige, es geht bis auf 140 m über dem Meer hoch aber leider auch ständig wieder runter, damit man hinter der nächsten Kurve auch wieder hochfahren kann. Kurz vor Sogndalstrand komme ich an größeren Ansammlungen von Sommerhäuschen vorbei und damit auch an Garagen für die Motorboote der Sommerfrischler.
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Nach einer letzten Herausforderung mit einer Baustelle, einem unbeleuchteten Tunnel und einem kräftigen Anstieg auf 60 m überm Fjord komme ich nach 86 km (davon fast 30 km auf unbefestigten Wegen) um 16.30 Uhr in Sogndalstrand an. Das dortige Kulturhotell ist mein Ziel. Zimmer kein Problem, nur Essen muß ich schnell, da die Küche um 17.00 Uhr schließt. Schnell duschen und ein vorzügliches Menue genießen. Meinen Verdauungsspaziergang beende ich schnell, da der Ort klitzeklein ist (80 Einwohner) und es zu regnen anfängt.
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Auf meinem Zimmer kann ich einiges zur Historie dieses Ortes aus den Hotelinformationen entnehmen. Sogndalstrand (hat i.ü. gar keinen Strand) war mal ein bedeutender Hafen für Frachtensegler, der im Laufe des letzten Jahrhunderts mehr und mehr seine Bewohner verlor. Ende der 80er-Jahre wohnte nahezu niemand mehr dort. Der Betreiber des Kulturhotells belebte den Ort mit der Eröffnung des Hotels 1994 wieder (heute 22 Zimmer in 5 Häusern des Ortes). Sukzessive kamen touristisch orientierte Geschäfte und Cafes hinzu und immer mehr Personen kauften eines der Holzhäuser, die sie renovierten und heute wieder im charakteristischem Weiß erstrahlen lassen.

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