Sonntag, 19. Juni 2011

30.05.2011 - Sogndalstrand - Lista-Halbinsel - 110 km

Ich bin der einzige Gast im Kulturhotell. Mich erwartet ein sensationelles Frühstücksbüffet, das für mind 15 Personen gereicht hätte. Nachdem es die ganze Nacht durchgängig geregnet hat, ist es am Morgen fast trocken. Die Mitarbeiterin des Hotels macht mir Hoffnung, dass das Wetter nach 40 km ab Flekkefjord meist besser und vor allem wärmer wird, da hier eine Wettergrenze sei. Das macht Hoffnung, zumal heute der wohl anspruchsvollste Teil des NSCR vor mir liegt. Es soll neunmal so richtig vom Fjord hoch und wieder runter gehen und dabei sollen u.a. auch auf vier unbefestigten Abschnitten von ca. 20 km Länge diverse Anstiege auf über 200 und in der Spitze auf 275 m (angeblich der höchste Punkt des NSCR - aber in Schottland wurde so etwas auch behauptet) bewältigt werden.
Aus Sogndalstrand raus geht es schon mal kräftig bergan und dann nach Hauge runter. Von dort geht es auf 200 m hoch und wieder runter an den Jossingfjorden, der vor rd. 30 Jahren durch einen Umweltskandal in die internationalen Schlagzeilen geriet. Bei der Produktion von Titanoxid, das aus dem hier vorkommenden Ilmenit gewonnen wird, töteten Giftstoffe jedes Leben im Fjord. Eine meterhohe Titanschlammschicht bedeckt den Meeresgrund.

Bei der Abfahrt komme ich durch einen unbeleuchteten Tunnel, in dem ich völlig die Orientierung verliere, da durch eine optische Täuschung man zunächst glaubt, das Tunnelende sehen zu können. Plötzlich fährt im absoluten Dunkel und sieht nicht mal mehr die Hand vor Augen. Nach Gefühl rolle ich mit Schrittgeschwindigkeit weiter bis ich endlich wieder Licht am Ende des Tunnels sehe. Gott sei Dank kamen keine anderen Fahrzeuge von hinten und von vorne, sonst hätte es auch "in die Hose gehen können".
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Unten am Fjord sieht man unter einem Felsvorsprung zwei Holzhäuser stehen, ein Motiv aus vielen Publikationen.
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Vom Jossingfjorden geht es hoch zum höchsten Punkt mit 275 m über dem Meer,
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kurzfristig muss ich auch mal wieder schieben. Dann geht es hinab nach Ana-Sira und über die Brücke über den Lundevatnet von der Provinz Rogaland nach Vest-Agder. Wieder gehts steil bergauf mit diversen Anstiegen und Abfahrten über 20 km nach Flekkefjord. Schönes Städtchen mit ca. 9.000 Einwohnern, in dem ich am Hafen bei Kaffee und Kuchen die Sonne genieße.
Hinter Flekkefjord wird es dann mal wieder heftig, der ausgewiesene unbefestigte Radweg ist unbefahrbar- wieder über mehrere Kilometer schieben. Dann auf guter Straße hoch auf 190 m und wieder runter bevor es gleich wieder auf 235 m hoch geht, um sofort wieder runter an den Fedafjorden zu fahren. Aber es geht nicht am Fjord weiter, nein es geht gleich wieder auf 175 m hoch nach Froytland, wieder runter und nochmal hoch auf 135 m, bevor es dann rd. 7 km von Oye flach nach Kvinesdal geht. Der rollen die Räder und der Radler wird für die Strapazen entschädigt.
Die Strafe folgt auf dem Fuß. Nach auffüllen der Getränkeflaschen fängt es an zu regnen, nein an zu gießen. Ich habe noch gut 40 km bis zu meinem heutigen Tagesziel zu bewältigen. Zunächst einmal geht es sukzessive hoch auf 230 m, wobei man immer wieder Höhe durch kurze Abfahrten verliert. Der Regen wird noch stärker und der Frustpegel steigt weiter an. Endlich oben gehts bergab, aber leider viel zu schnell, denn es folgt die nächste Höhe mit 220 m. Und so geht es weiter, Regen vor vorn, hoch, runter, hoch, runter. Dann geht es auf eine unbefestigte Strasse, immerhin mit offiziellen Wegweisern zur Lista-Halbinsel, einem Vogelparadies, entstanden vor ca. 13.500 Jahren am Ende der letzten Eiszeit. Die dortigen Gewässer gelten als die gefährlichsten der norwegischen Küste, hier sollen zwischen 1840 und 1940 ca. 120 Schiffe auf den sandigen Grund gelaufen sein.
Fester feuchter Sand mit feinem Schotter ist auch mein Problem. Ich strande zwar nicht, aber die Räder werden vom Boden angesaugt, ich fühle mich beim Treten so, als ob die Reifen am Boden kleben. Enormen Kraftaufwand und man kommt bei langen Anstiegen kaum voran - nochmals geht es heftig rauf und runter und schlußendlich noch mal auf 205 m hoch. Endlich erreiche ich fix und fertig wieder asphaltierte Straße aber auch einen Fjord, den Framvaren einerseits und auf der anderen Seite der Straße einen Nebenarm des Fedafjorden. D.h., es gebt wieder kräftig hoch hier im Niemandsland, Ortschaften sind de facto nicht vorhanden, wenn man von einigen Sommerfrischen absieht. In einer dieser Sommerfrischen namens Heskestad entscheide ich mich gegen die rd. 7 km auf dem unbefestigten offiziellen NSCR und für die etwas längere Variante auf asphaltierter Straße Richtung Kalleberg. Herrlich, es geht nur noch bergab, der Regen klatscht mir zwar ins Gesicht und der Wind/Fahrtwind ist sehr kühl, aber das Ende der Tortur naht. Kurz links, dann gleich wieder rechts abbiegen und nach 2 km entlang des Flughafens Lista erreiche kurz vor 19.00 Uhr das Lista Flypark Hotell und Appartements, offiziell ein Vandrerhjem.
Die Gäste sitzen beim Abendessen als ich in meinen Regenklamotten dort hinein komme und eine Wasserspur hinter mir herziehe. Ist mir egal, einchecken, aufs Zimmer, heiße Dusche, schnell noch was Essen, aufs Zimmer, Kleidung zum Trocknen aufhängen. Schwieriges Unterfangen, Zimmer unterm Dach, kaum Bügel und Möglichkeiten zum Aufhängen.
Nach diesem Tag habe ich "die Schnauze voll". Mir tut alles weh, die Wetteraussichten sind auch für die nächsten Tage nicht viel besser. Ich habe noch rd. 145 km bis Kristiansand vor mit und das Terrain wird tendenziell flacher, nun ja, was man so flach in Norwegen nennt. Ich beschließe, die restlichen Kilometer nicht wie geplant in zwei Tagen sondern an einem Tag unter die Räder zu nehmen. Frauke sucht mir die Abfahrtzeit der letzten Fähre von Kristiansand nach Hirtshals raus, 16.30 Uhr. Wird eng, aber ich will es versuchen.
Ab ins Bett, Beine massieren, schlafen, schlafen, schlafen.

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02. 2007 - Start
03. 2007 - Norwegen
04. 2007 - Schweden
05. 2007 - Dænemark
06. 2007 - Deutschland
07. 2008 - es geht weiter
08. 2008 - Belgien
09. 2008 - Holland
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13. 2010 - Schottland - der Süden
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